Freitag, 26. Februar 2010

Mit Plastinatoren schwofen

Vor kurzem, das heisst vor längerer Zeit, besuchte ich eine Ausstellung, in welcher plastinierte Menschen, Tiere und Organe zu sehen waren. In holdes Erstaunen entrückte mich folgender Satz, der neben einer Schauplastik eines menschlichen Magens zu lesen war: "Die Mageninnenwand produziert eine Art Schleim, der vor Selbstverdauung schützt." Dieser Satz löste in mir spontan ein tiefes Gefühl des Mitleids für all jene Personen aus, deren Drüse, die den besagten Schleim absondert, kaputt ist. Sie müssen ihren Magen wahrscheinlich überlisten, in dem sie täglich einen Rindermagen verzehren. Der nicht so kluge Magen lehnt sich dann zurück und denkt sich, seine Arbeit, sich selbst zu verdauen, sei getan, bis er am nächsten Tag merkt, dass er noch da ist. Das Spiel beginnt von vorne: Ein ewiger, teuflischer Kreislauf.

Gut gefiel mir auch der plastinierte Körper eines Gorillas ohne Haut ganz am Ende der Ausstellung. Am Baum daneben hing, ähnlich einer Bananenstaude, sein kompletter Verdauungsapparat. Es fehlte nur noch ein Hirsch, der auf seinen eigenen Innereien in Form einer Wiese äst. Oder eine Maus, die an ihren mit Löchern durchsetzten Eingeweiden knabbert.

In einem abgetrennten Bereich sah man ein Pärchen, das sich in wilder Leidenschaft gegenseitig die Haut vom Leibe gerissen hatte und nun in kopulierender Pose zu bestaunen war. Dabei zeigte sich, dass auch Plastinatoren durchaus humorige Gesellen sind, denn dem Mann spriesste ein schwarzer Irokese mitten aus dem Schädel, die Frau hatte noch Stiefel an ihren Füssen. Mit Plastinatoren ist bestimmt gut schwofen. Ständig erzählen sie einem Dinge von Interesse, beispielsweise wie Haut am einfachsten von Muskelgewebe zu trennen ist (Lorbeerschnaps einreiben) und witzige Anekdoten von ihrer Arbeit, wie zum Beispiel jene vom lustigen Puppentheater mit verlängerten Wurmfortsätzen des Blinddarms in der Mittagspause. Während man sich dann das x-te Bierchen (für "x" eine beliebige Zahl/Potenz/Bruch einsetzen und die Gleichung nach "Bierchen auflösen) hinter die Binde kippt erzählen sie einem, wie schwierig es ist, an eine Schrumpfleber zu kommen und geben noch eine Runde aus. Doch solange man seine Leber immer schön im Auge behält, kann sie einem auch vom handfertigsten Plastinator nicht stibitzt werden. Sollte es doch einmal vorkommen, merkt man es ziemlich rasch an einem Blutsurz aus der Seite. Ja ja, diese crazy Plastinatoren, ein ganz eigenes Völkchen, eine Art Parallelgesellschaft, wie die Elefantenpfleger. Was die meisten nicht wissen: Elefantenpfleger geben sich meistens auch in ihrer Freizeit nur mit ihresgleichen ab, sitzen konspirativ in ihren elefantengrauen Stuben und trinken aus ihren Elefantentassen (Rüsselchen als Henkelchen) und disputieren, warum Elefanten die bessern Menschen sind.

Wie ich gerade merke, enthält letzterer Text unverhältnismässig viele Klammern. Da ich vor Mr. Retisch, der vorgängig seinen tiefempfundenen Hass gegen diese Dinger äusserte nicht in Ungnade fallen möchte und auch ich schon gegenüber missbräuchlich gesetzten Klammern verbal ausfällig wurde, mich also dem Verdacht der Wendehalsität aussetze, erlaube ich Ihnen, umgehend einige davon mit einem fetten, schwarzen, wasserfesten Stift durchzustreichen.

- Ignaz K. Rhabarber

1 Kommentar:

  1. Meinen Glückwunsch zu diesem Text.
    Ich bestelle eine Elefantentasse. Wie einen Plastinatorentasse aussieht, will ich nicht wissen.

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