Donnerstag, 11. Februar 2010

Die siechende Oma mit dem Laufmaschentick

Warnung für Diabetiker: Enthält die Wörter Kiwi und Mango

Was möchte meine Katze mir sagen, wenn sie sich früh morgens zu meiner Tätigkeit des Entledigens nächtlich angeschlafener Milbenexkremente aus dem Bettzeug unter die kalt-heisse Immunstärkedusche stellt und meint: „Du enthirnter Spacko hast die ganze Nacht das Fenster offen stehen lassen, kuck mal es sind Minustemperaturen!“? Ehrerbietig reiche ich ihr die Tube meines Ayurveda-Kiwi-Mango-Sambal Oelek-Shapoos, um sie zu beschwichtigen. Das Duschgel streicht sie sich mit vor Anstrengung gekrümmten Pfoten und offensichtlichem Effort ins Katzenfell. Sie sei heute noch verabredet, ein wichtiger Termin beim Epithetiker an der Ecke stehe auf dem Programm. Sie wolle sich die linke Ohrenpartie herabsetzen lassen. Dies hat sich mir gestern feierlich eröffnet, als sie beim Halma den dritten Full House in Folge absahnte. Man sollte Katzen nicht unterschätzen, es sind hochbegabte Menschen, die ihre zwiespältige Existenz hinter einem durchdachten Mix aus fiebernder Gelassenheit und abgeschlagenem Dehors verschleiern. Ehrlich. Nach der Dusche gehe ich direkt in die Stadt, ohne meinem Körper in geringster Weise die Schmach des unnötigen Bekleidens auf zu zwingen. Es ist kurz nach Weihnachten und das neue Jahr hat mich schon in seinen Bann gezogen. 2010 – wie wir uns alle gefreut haben; und dann kam der Schnee. Er schwängerte den Himmel mit seinen weissen Flocken, deflorierte den Horizont und hinterliess dennoch nur reines, virginisches Weiss. Die Kälte wogte wabernd durch die Strassen und drang in die Gliedmassen der Leute der Welt. Alles hat zu. Gerade laufe ich – welch Wunder – an einer geschlossenen Eisdiele vorbei, dann an einer geschlossenen Gruppe der Zeugen Jehovas. Nur ein aufgeschlossener Junge fragt mich nach Schokofröschen, oder will er welche feilbieten? Ich verstehe ihn akustisch nicht. Mein Unverständnis für den Buben resultiert aus einer momentanen Irritation, die mir durch ein Salzstreufahrzeug in der morphologischen Erscheinung von Josef Stalin zugefügt wird. Und hinter dem Gefährt fällt, hervorgerufen durch die aufgesetzte Schneefräse, ein eiserner Vorhang. Mir fröstelt bei dem Anblick, darum beschliesse ich mich in einer FKK-Sauna etwas auf zu wärmen. Doch der Türsteher will gar nicht erst meinen Organspendeausweis sehen. „Zu jung“, so lautet sein vernichtendes Urteil. Schade, denke ich: zu jung. Noch beim Nachhausegehen überlege ich mir, was er damit gemeint haben könnte. Eine dahinsiechende Seniorin kreuzt als einzige meinen Weg auf dem ausgelatschten Bordstein, der auch heute wieder als verkannte Koryphäe des Service public in den Belangen zweckdienlichen Herhaltens als Fussabtreter der Nation eine Glanzparade vollführt. Gerne würde ich ihn für den Friedensnobelpreis nominieren – in der Sparte: bester Hauptdarsteller. Ebenfalls gerne möchte ich den oralen Dialog mit der Oma im O-Ton mit den uns bekannten lateinischen Buchstaben konservieren: „Guten Tag.“ „‘n Tag, sie haben aber ein schönes Kleid.“ „Ja, von meinem nullten Geburtstag.“ „Sie haben da vorne eine ziemlich grosse Laufmasche, bis zu den Knien. Darf ich mal anfassen und ziehen?“ „Nee, komm lass mal.“ Dieses Spektakel zieht sich über Stunden hinweg fort. Die Oma möchte anfassen und ich dekliniere ihren Vorschlag alsbald abrupt. Endlich wieder zuhause ersucht mich meine Golden-Tabby-Katze als erstes um einen konstruktiven Kommentar zu ihrer neuen Visage. Doch ich möchte mich nicht auf einen Endlossermon einlassen und verschwinde unter dem Vorwand müde zu sein im Ökonomieraum unseres Palais – im Westflügel des Palais. Hier muss der Text leider ein jähes Ende finden. Wer die Geschichte aufmerksam zurückliest, entdeckt darin ein leckeres Rezept für korsische Käsesuppe auf Suaheli – viel Spass beim Nachbrutzeln!

- Theo Retisch


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