Esel den Strand aufzusuchen. Das änderte sich, als ein Esel 1965
am Nordseestrand Amok lief und drei Sandburgen inklusive
Kinder zerstörte.
Alles begann damit, dass ihm an einem lauen Winterabend in einem von Dostojewskis (<-) Büchern eine kraus formulierte Stelle auffiel. Er las weiter und fand noch einige solcher Stellen. Auf der darauffolgenden Suche nach dem Ursprung des Krausen in Dostojewskis Werk half ihm der alte Schlingel Zufall. „Als ich ein Bild von Dostojewski sah, das von einem Strassenkünstler auf dem Bürgersteig gekreidet worden war, wurde mir schlagartig alles klar. Das mit dem Krausen meine ich.“ Wer je ein Bild Dostojewskis gesehen hat, muss lachen: Der krause Bart in Form und Grösse einer kleinen Schäfchenwolke hängt ihm über den Solarplexus und wärmt ihm das spätzaristische Bäuchlein. „Als seriöser Wissenschaftler musste ich der Sache natürlich nachgehen.“ Was folgte, war eine vier Jahre dauernde Suche nach Beweisen, die seine These stützten. Während der Recherche wurde er einmal in einer Bibliothek fast von einem Schieberegal erdrückt, stolz zeigt er mir die Narbe am Knie.
Es sind vornehmlich die russischen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, deren Frisuren er untersucht, denn „damals trug man noch Frisur, besonders in Russland“. Bei seinen Forschungen stiess er auf Erstaunliches: „Bei den meisten Autoren liegt eine Verbindung zwischen Schreibstil und Frisur vor. Das merken sogar blutige Laien.“ Als ich ihn frage, was er denn für Beweise für seine Hypothese habe, haut er mir erstmal eine runter, sagt dann: „Ist ihnen denn noch nie die schmierige und gescheitelte Satzstellung Nikolaj Gogols (<-) aufgefallen? Seine geschmeidige, kräftig-glänzende Wortwahl? Und seine zarten, leicht gezwirbelten Personenbeschreibungen? Dann sind sie ein Idiot!“ Den letzten Satz sagte er mit soviel Eifer und Spucke, dass ich mir mit dem Taschentuch erst einmal über das Gesicht wischen muss. Dann gebe ich ihm recht. „Das ist mir tatsächlich schon aufgefallen“ versuche ich mich anzubiedern. „Oder dann Puschkin“ (<-), fährt er fort, „sein Barbier wendete dieselbe Technik an, wie Puschkin bei seiner Lyrik: In der Mitte Kahlschlag, links und rechts darf es spriessen.“ Was das zu bedeuten habe, frage ich ihn. „Dass die literaturgeschichtliche Einordnung Puschkins ohne seinen Barbier ganz anders ausfiele“, er macht eine sehr lange Kunstpause, „schlechter.“ Diese Aussage, die mich gar nicht stört, nutze ich, den Entrüsteten zu spielen, um ihm eine zurückpfeffern zu können. Er weicht gekonnt aus, meine Hand schlägt ins Leere, fast falle ich vornüber. Seine geschmeidige Ausweichbewegung zeugt von jahrelanger Übung und einem beweglichen Becken. „Oder sehen sie sich einmal Gorki mit seinem Walross-Schnäuzer an. Woher glauben sie, kommt der oft träge Handlungsverlauf seiner Stücke? Das Herumwälzen in den immer gleichen Themen? Dazu die dicke, fettschichtartige Beziehung der Charaktere zueinander? Für mich ist der Fall klar.“
Ich frage ihn, ob man nach dieser Methode auch die Autorschaft eines Textes klären könne. Konspirativ-flüsternd erklärt er mir, dass bereits Tests laufen, bei denen Zeichner aufgrund von Texten Phantombilder anfertigen. Das Projekt sei in der Anfangsphase und über Ergebnisse könne er noch nicht sprechen, um die Arbeit nicht zu gefährden. Da sehe ich meine Chance und will ihn freundschaftlich-zustimmend in die Seite knuffen, da duckt er sich weg und rollt sich auf dem Linoleum ab. Es quietscht ein wenig. Zum Abschluss will ich von ihm wissen, wen er derzeit untersucht. „Die Stirnglatze Isaak Babels habe ich noch nicht gefunden.“
Ich liebe meine Patin über alles. Menschen, die einen Paten, oder die weibliche Form davon, eine Patin, besitzen, sind überhaupt von allerhöchster Instanz gesegnet. Meine Eltern sind mit meiner Patin nicht verwandt und so bin auch ich es nicht, trotzdem ist unser Kontakt sehr innig. Besonders gut verstand sich auch meine Mutter mit der Patin – sie heisst Alice, nicht die Mutter, die Patin. Vielleicht ist auch das der Grund gewesen – das Sichgutverstehen – warum ich von meiner Mutter oft zu Besuchen der Patin mitgenommen wurde. Ich war vielleicht vier oder älter. Auf jeden Fall kann ich mich schon noch ans eine oder andere erinnern. Dinge, die kleine Kinder halt wahrnehmen wenn sie einigermassen auf Zack sind. Ich für meinen Teil habe meine infantile Umgebungsidylle bis in die peinlichsten Winkel auskundschaftet, wenn ich in der Wohnung der Patin auf Streifzug ging. Ich tat das aber nur, wenn bei den Damen im Wohnzimmer Kaffeeplausch und Zeitschriftenaustauschen angesagt war, dann fragte ich mich Sachen wie: warum die Patin im Kleiderschrank enge Uniformen aus Kunststoff hat und der Teppichklopfer hinter der Waschmaschine mit kleinen Lederzotteln versehen ist? Das muss doch wehtun, wenn man mal den Teppich nicht trifft beim Entstauben, vielleicht sich sogar über den Oberschenkel schmettert oder einen fremden Rücken touchiert. Heute weiss ich natürlich, dass dem so ist, ich werde die Patin aber nicht darauf ansprechen. Gerne erinnere ich mich auch daran, dass die Patin pausenlos überzeugt davon war, ich sei bestimmt hungrig und mir mit einem feuerroten Fleischermesser eine Zuckerrutsche zimmerte. Für Nichteingeweihte: Eine Zuckerrutsche besteht aus einer Scheibe Brot mit oben dick Butter und fett Zucker drauf. Dazu wurden Katzentatzen gereicht, die wir spasseshalber so nannten, eigentlich sind es nur Schokoladenupsis, die die Kontur einer Katzentatze umschreiben. Eigentlich tun sie nicht mal das, sie sehen mehr so aus, wie ein ellipsenförmiges Rhomboid. Nicht so gerne erinnere ich mich an den Kühlschrank. Wenn man den öffnete roch die Bude nach Fisch, weil Käse drin war. Oft habe ich aber nicht nur den kulinarischen Freuden gefrönt, mich auch körperlich aktiv gegeben und die lustige Frauenwelt, allesamt am Küchentisch hockend, mit einer Charminklorolle an die spärlichen Sitzgelegenheiten im Raum gefesselt, am Kleiderhaken hinter der Waschzimmertür Klimmzüge geübt oder scheste ziellos von A nach B. Einmal kam es soweit, dass die liebe Patin in gut gemeinter Prävention die Schlafzimmertür abschloss, damit ich nicht so doll durch die Wohnung wetzen konnte. Seither verbrachte ich mehr Zeit draussen auf dem Spielplatz vor dem Haus, weil’s drinnen keinen Anreiz zum Saurauslassen mehr gab. Draussen lernte ich Sophie kennen. Sophie war ein ganz betörendes Mädchen und ich wüsste heute bestimmt besseres mit ihr anzufangen als mit ihr Sandburgen zu bauen und auf der Schaukel zu bammeln. Trotzdem war unsere grassierende Sozialkompetenz, die damals natürlich noch nicht auf dem höchsten Level angelangt war, rückblickend sicher hinreichend abstrakt, um dem einen oder anderen ein Schmunzeln von den Lippen zu ringen. Ich verstand die Welt nicht mehr, wenn Sophie ohne vorher zu fragen meinen gelben Lieblingsbagger an sich nahm und patschte ihr dementsprechend emotionsgeladen mit der flachen Rechten ins Gesichtchen. Kleinen Jungs nimmt so was ja auch keiner übel, sind ja Kinder. „Hättest Theo halt vorher fragen müssen, ob du seinen Bagger haben darfst oder nicht“, wird Sophie bestimmt mehr als einmal gehört haben, wenn sie flennend zur Mudda lief. Heute ist das natürlich alles komplizierter. Ab zehn Jahren aufwärts muss man sich von Mädchen zuerst schlagen lassen, bevor man sie abstrafen, sprich mal ordentlich durchprügeln darf. Alles in Allem hatten mich Besuche bei der Patin immer in Fahrt gebracht und des Abends sank ich wahrscheinlich schon nach den zehn Uhr Nachrichten völlig knülle in die Heia. Saying „knülle“, kann man doch am besten über den Sinn und Unsinn menschlichen Denkens nach einem harten Arbeitstag philosophieren, wenn man sich total groggy gleich einem verwundeten Kapaun ins schützende Nest zurückzieht und für sich resümiert. Da hinterfragt man sich doch auch, wieso der Mensch zwischen Fahrt und Reise unterscheidet. Ich bin ein heissblütiger Vertreter der These: Fahrt und Reise differenzieren sich auf Grund der Überlegenheit des Wörtchens „Reise“ gegenüber dem Schwesterherz „Fahrt“, in Bezug auf terrestrische Distanz. Dazu ein Beispiel: Wenn einer mit dem Auto von Zürich nach Chemnitz fahren will, wünscht ihm ein jeder eine gute Reise. Geht einer zuhause vom Fernseher wo auch der Rest der Sippe kauert, zum Klo wünscht ihm keiner weder eine gute Fahrt noch eine gute Reise, weil anhand der bequem überbrückbaren Distanz die Risiken mit einem unfallprovozierenden Faktor perdu zu werden auf ein Minimum abfallen und eine sich eventuell anbahnende Panne zwischen Sofa und Schüssel extrem einkalkulierbar ist. Ausser man wohnt in einer dekadenten Penthousewohnung wo man zum Scheisshaus den Porsche nehmen muss. Whatever, ich wollte den Denkanstoss in die Runde werfen. Genauso gut hätte ich mich fragen können, wie man einen Homo sapiens sapiens beadjektivieren kann, der auf dem Rad bergab von einer Bremse gestochen wird. Der gebremste Radler? Dazu soll man sich jetzt noch das Unfallprotokoll des Polizisten X ausdenken, der den Schaden rapportierte, nachdem eine Kollision zwischen dem gebremsten Radler und einem anderen Radfahrer stattgefunden hatte: Infolge Ausbremsung des Fahrers X verlor dieser die Herrschaft über sein Fahrzeug, konnte nicht mehr bremsen und rummste in Fahrer Y.
- Theo Retisch
Menschen mit Klemmbrettern sind die Steine, um die sich die strömende Masse in der Fussgängerzone bewegt. Ich bewege mich jeweils zielsicher in die Fänge dieser Wesen und lasse mich während Minuten weichklopfen wie ein gut weichgeklopftes, nein, nicht Schnitzel, sondern Steak. Mittlerweile stehen an jeder Ecke Menschen mit Klemmbrettern und suchen monetäre Zuneigung, die ich ihnen nur ungern verweigere, verfüge ich doch über kein Argument in meinem Köcher, das ich zur rechten Zeit abschiessen könnte um den Apfel der moralischen Überlegenheit vom Kopf... Sie wissen was ich meine. Möchte man dezent sein Desinteresse anmelden, wird die kaum zu konternde Frage gestellt, ob einem denn nichts am Regenwald/Klima/Menschen liege. Antwortete man auf eine solche Frage schlicht mit "Nein", man erntete ein entrüstetes Stirnrunzeln vom Acker des Unbehagens, das es auszuhalten gälte. Da erkaufe ich mir doch lieber glänzende Äugchen für den Preis des Mindestbeitrags. Der dritte Weg, also weder Ablehnung noch Wohlwollen kundzutun, wäre, sich hinzustellen und zu sagen: "Sie sind ein Stein. Geh mir aus dem Weg, Stein." Ich halte das für die praktikabelste Lösung, eine andere erscheint selbst nach intensiver Beschäftigung mit der Problematik nicht möglich. Ausser im Falle es handelte sich um einen wirklichen Stein mit einem Klemmbrett, da würde aus der hintersinnig-metaphorischen eine offene Anfeindung werden, bei der ich fürchtete, er könnte mich mit einem kleinen Brüderchen bewerfen.
Überhaupt: Steine. Betrachtet man es recht, sind sie die letzten ungelösten Geheimnisse der Menschheit. Ihren Nahrungsbedarf decken sie, ohne dass sie sich bewegen. Hinzu kommt ihre Unsterblichkeit. Können wir von Steinen lernen? Diese Frage kann in allen Fällen nur mit einem an Ausfälligkeit grenzenden "Jawohl, Herr Doktor" beantwortet werden. Bereits ist es Wissenschaftlern gelungen, Menschen mit einer Versteinerungskanone, der Medusa6000, durch Versteinerung das ewige Leben zu schenken. Selbst Versuche mit Klemmbrett haltenden Personen gelangen wider Erwarten. Somit steht nichts mehr im Wege (oder doch?).
- Ignaz K. Rhabarber
Letzte Woche wollte ich es wieder einmal wissen und machte mich in der Küche zu schaffen. Meine Absichten hatten aber nicht den geringsten Reiz eines sozialen Aspektes. Ich war nicht im Begriff, mir nahe stehende Personen zu verköstigen. Wenn ich kochen würde, müssten die Leute sowieso sitzen, die was essen wollen. Im Stehen fratzen wird meinerseits nicht geduldet, weil das so ist, wie zeitungslesend einen Friedensabkommensvertrag zu signieren – das Augenmerk nicht auf der Hauptaufgabe. Wie ich also dastehe vor dem Kühlschrank, gleich Ali Baba vor dem verschlossenen Berg, überlege ich schon mal, was mir zu verzehren eigentlich gelüste. Sollte ich einmal alleine zuhause sein und ein Hungerast sollte sich lösen vom knorrigen Stamme des Hungerbaumes und mich zwar nicht erschlagen aber direkt vor meine Füsse fallen, so hoffe ich inständig, dass keine Videokamera in der Diele, von der aus die Küche bequem einsehbar ist, angebracht wurde, die Filmaufnahmen, auf denen zu sehen wäre, wie ich den Ast behutsam aufhebe, ihn zärtlich, ja fast schon väterlich flattiere, um ihn dann ganz langsam zu tafeln, registriert. Es wäre mir peinlich, dass in Erfahrung gebracht würde, wie tief meine Anstandsregeln in punkto „Kulinarikansprüche“ in den Keller rasseln, sobald niemand zugegen ist. Soweit möchte ich allerdings gehen: Beim obig beschriebenen Fall bildeten die Hauptelemente meiner Mahlzeit Reiswaffeln, Ananasscheiben im Saft, Ahornsirup und Senf (Reine de Dijon – extrascharf). Die Reiswaffeln fungierten als stabile Basis, auf der sich ein Turm aus tropischen, mittig gelochten Früchten formierte und ein Gemisch aus Sirupglibber und Senf in eine unegoistische Romanze getreten war. Da fehlte nur noch ein netter Kumpane aus dem Vorratsschrank, gleich eine Tür weiter. Dort wohnt in einem einsamen Appartement seit Jahren der weisshaarige Herr Salz. Im gleichen Stock wie er hatte sich nur ein temporärer, ausländischer Untermieter mit Asylgesuch – ein Sack voller Sultaninen (250g netto, Türkei, TY) breit gemacht, der von Seiten des Herrn Salz aber nur toleriert, indes im Treppenhaus nie mit Vornamen angesprochen wurde. Herr Salz erwies gutmütig seinen Dienst und musste sich zu guter Letzt von mir genau beäugen lassen, denn auf dem Geburtsschein, den Herr Salz immer auf sich trägt, hatte die lustige Krankenschwester eine Notiz hinterlassen, die mich stutzig machte: Zutaten: Natriumchlorid, Fluorid, Iodid, Antiklumpmittel!!! (E536). Was um Herrgottswillen ist Antiklumpmittel? Nur schon der lyrische Wert des Wortes ist phantastisch. Noch nie hat ein griechischer Präfix mit einem deutschen, womöglich aus der Industrialisierungszeit stammenden Begriff dermassen das Bett geteilt wie in diesem Falle. Der Zweck, den Antiklumpmittel zu erfüllen hat, sollte jedem klar sein und ich verzichte auf eine genauere Umschreibung des Aufgabenbereiches von Antiklumpmitteln, auch ich bin kein Salzinsider. Trotzdem bleibt die Frage im Raum hängen, warum nur Salz unklumpiert anzubrausen hat? Warum enthalten andere Lebensmittel, bei denen eine Verklumpung immense Nachteile mit sich bringen würde wie z.B. Spaghetti oder Reis keine Antiklumpmittel? Item, sorgfältig bugsierte ich Herrn Salz in seine behagliche Katakombe zurück, wo er sich sexy an den türkischen Nachbarn anschmiegte. Gerne würde ich ihre heimlichen Diskussionen mitverfolgen, die von Salz initiierten, wenn sie sich zufällig am Briefkasten über den Weg laufen – wieder einmal mehr ohne Begrüssung seitens Herrn Salz’. Worum würde es da wohl gehen? Vielleicht würde Kollege Salz dem osmanischen Früchtchen sein Beileid zur angenommenen Minarettinitiative ausdrücken, indem er sich nächtelang in eine Burka hüllt, um seine scheinheilige Beziehung zum Islam adäquat zu formulieren. Wir werden es nie erfahren. Ein feiner Gedanke, wird es auf Lebzeiten bleiben… Wie ich beim Verfassen dieses Textes gerade aus der Dachlukarne spähe, erfahre ich, dass es mir momentan gar nicht gestattet ist zu spähen, denn ein/e liebe/r Mann/Frau hat eine weisse, kalte Folie auf das Fenster gepatscht. Trotzdem widersetze ich mich dem von oben angeordneten Spähverbot und kippe die Luke ein kleines Stück nach oben, so dass mir die Landschaft einen kurzen Blick auf ihre intimsten Bereiche preisgibt, gleich einer wunderschönen Frau, die sich, minirockbekleidet, vor einer lüsternen Männerschar ausgiebig durchbückt, um den runter gefallenen Schlüsselbund auf zu heben.
Ich registriere in Minutenbruchteilen, dass es draussen kräftig geschneit hat. Sehr zu meinem Leidwesen, denn am liebsten wäre ich heute ins Freibad gegangen, um eine Länge zu tauchen. Doch bei dieser Kälte macht das gar keine so gute Falle, weil man sich dann immer das Einstiegsloch durchs Eis merken muss, wenn man nach einer Länge wieder Luft holen will. Findet man das Loch nicht mehr, wird der Schwumm zur Bredouille. Findet man das Loch kurz vor dem Eintritt der Bewusstlosigkeit wieder wird’s zur Lappalie und wenn man so gescheit ist, sich zwei Löcher zu zulegen muss man sicher keine Angst haben, zivilrechtlich als Bigamist verfolgt zu werden. Trotzdem gebe ich den Wunsch auf, zu dieser Jahreszeit ins Freibad zu gehen. Stattdessen schaue ich mir die temporären Angebote der lustigen Reisebüros an, die an allen Bahnhöfen die Werbeflächen säumen. Antalya, Hin- und Rückflug CHF 79.-. Wow! Vielleicht noch CO2- kompensierte Flugmeilen? Um dem Umweltschutz zu frönen und beim nächsten Zusammentreffen mit Bekannten prahlen zu können: „Als wir das letzte Mal nach Antalya geflogen sind, haben wir 1600 nautische Flugmeilen CO2- kompensiert. Wir fühlen uns so grün und frei und einzigartig sich von der grauen Menge differenzierend wie tollende Rehkitze auf einer sechsspurigen Autobahn, die ausschliesslich durch Chevrolets Monte Carlo 1976 befahren werden. Wir können die Menschen nicht verstehen, die keinen Wert auf den Umweltschutz legen, gell Hans, so ist es? Und wo wart ihr in den Ferien? Ach, Wanderferien in den Berner Alpen. Ich hab gehört, dass die Herstellung von einem Paar Wanderschuhen ca. 7 kg CO2 verursacht, da hätte ich schon ein schlechtes Gewissen, ihr nicht?“ Solche Leute glauben wohl auch daran, dass mit dem Zusatzverdienst ihrer CO2- Kompensation Ozonlochmechaniker mit einer Kittpistole allmonatlich die grosse Bockleiter aufstellen und den weiten Weg zur Stratopause in Angriff nehmen, um da und dort ein bisschen Astro-Nipptuck zu spielen; ein wenig Botulinumtoxid in die Ritzen spritzen, bei der alt gewordenen Ozonschicht.
Nur ich scheine es besser zu wissen, dass die Gelder klang- und sanglos in den weiten fast endlos erscheinenden Taschen der Airliner-CEO’s sich verheddern wie Glattdelfine in den Netzen japanischer Kutterkollektiven. So lasse ich denn die Menschheit im Glauben, sie rette die Welt, mit einem CO2- kompensierten Flug, der soviel kostet wie ein einfaches Ticket zweiter Klasse von Zürich nach Bellinzona, in die Heimat des anatolischen Nachbarn von Herrn Salz. An dieses Volk richte ich auch noch einen persönlichen Ratschlag: Vor dem Urlaub im Reformhaus Bioluftmatratzen aus Wolle kaufen. Da ist die Luft zwar immer ganz schnell wieder raus, aber aufpusten provoziert keine Treibhausgase und der Kautschuk der sonst für die Matratze flöte gegangen wäre wird für die simbabwische Präserproduktion verwendet. Fazit: 2020 50% weniger Simbabwer, die mit unkatalysierten Geländevehikeln die Luft verpesten und volle Kornspeicher in Afrika. Das grosse Umdenken – ganz klein! Bei den Kornspeichern nicht vergessen Antiklumpmittel bei zu mengen sonst geht der Weizen hopps. Aber nicht zuviel, sonst geht der Weizen ebenfalls hopps. Wie Paracelsus gesagt hat: „Ich dosiere, also bin ich.“ Oder war das René Descartes? Ich denke, also bin ich, hmm Piroschka? Egal, Lackmusstreifen dranhalten, und warten bis er sich verfärbt, die Antwort wird nicht lange auf sich warten lassen.
- Theo Retisch
Vor kurzem, das heisst vor längerer Zeit, besuchte ich eine Ausstellung, in welcher plastinierte Menschen, Tiere und Organe zu sehen waren. In holdes Erstaunen entrückte mich folgender Satz, der neben einer Schauplastik eines menschlichen Magens zu lesen war: "Die Mageninnenwand produziert eine Art Schleim, der vor Selbstverdauung schützt." Dieser Satz löste in mir spontan ein tiefes Gefühl des Mitleids für all jene Personen aus, deren Drüse, die den besagten Schleim absondert, kaputt ist. Sie müssen ihren Magen wahrscheinlich überlisten, in dem sie täglich einen Rindermagen verzehren. Der nicht so kluge Magen lehnt sich dann zurück und denkt sich, seine Arbeit, sich selbst zu verdauen, sei getan, bis er am nächsten Tag merkt, dass er noch da ist. Das Spiel beginnt von vorne: Ein ewiger, teuflischer Kreislauf.
Gut gefiel mir auch der plastinierte Körper eines Gorillas ohne Haut ganz am Ende der Ausstellung. Am Baum daneben hing, ähnlich einer Bananenstaude, sein kompletter Verdauungsapparat. Es fehlte nur noch ein Hirsch, der auf seinen eigenen Innereien in Form einer Wiese äst. Oder eine Maus, die an ihren mit Löchern durchsetzten Eingeweiden knabbert.
In einem abgetrennten Bereich sah man ein Pärchen, das sich in wilder Leidenschaft gegenseitig die Haut vom Leibe gerissen hatte und nun in kopulierender Pose zu bestaunen war. Dabei zeigte sich, dass auch Plastinatoren durchaus humorige Gesellen sind, denn dem Mann spriesste ein schwarzer Irokese mitten aus dem Schädel, die Frau hatte noch Stiefel an ihren Füssen. Mit Plastinatoren ist bestimmt gut schwofen. Ständig erzählen sie einem Dinge von Interesse, beispielsweise wie Haut am einfachsten von Muskelgewebe zu trennen ist (Lorbeerschnaps einreiben) und witzige Anekdoten von ihrer Arbeit, wie zum Beispiel jene vom lustigen Puppentheater mit verlängerten Wurmfortsätzen des Blinddarms in der Mittagspause. Während man sich dann das x-te Bierchen (für "x" eine beliebige Zahl/Potenz/Bruch einsetzen und die Gleichung nach "Bierchen auflösen) hinter die Binde kippt erzählen sie einem, wie schwierig es ist, an eine Schrumpfleber zu kommen und geben noch eine Runde aus. Doch solange man seine Leber immer schön im Auge behält, kann sie einem auch vom handfertigsten Plastinator nicht stibitzt werden. Sollte es doch einmal vorkommen, merkt man es ziemlich rasch an einem Blutsurz aus der Seite. Ja ja, diese crazy Plastinatoren, ein ganz eigenes Völkchen, eine Art Parallelgesellschaft, wie die Elefantenpfleger. Was die meisten nicht wissen: Elefantenpfleger geben sich meistens auch in ihrer Freizeit nur mit ihresgleichen ab, sitzen konspirativ in ihren elefantengrauen Stuben und trinken aus ihren Elefantentassen (Rüsselchen als Henkelchen) und disputieren, warum Elefanten die bessern Menschen sind.
Wie ich gerade merke, enthält letzterer Text unverhältnismässig viele Klammern. Da ich vor Mr. Retisch, der vorgängig seinen tiefempfundenen Hass gegen diese Dinger äusserte nicht in Ungnade fallen möchte und auch ich schon gegenüber missbräuchlich gesetzten Klammern verbal ausfällig wurde, mich also dem Verdacht der Wendehalsität aussetze, erlaube ich Ihnen, umgehend einige davon mit einem fetten, schwarzen, wasserfesten Stift durchzustreichen.
- Ignaz K. Rhabarber
Die Nelkenrevolution ist der Versuch der Nelken, die ausbeuterische Herrschaft der Fauna zu beenden um eine Diktatur der Flora zu errichten. Sie ist seit 40'000 Jahren im Gange.
Vorgeschichte
Der Revolution ging eine jahrhundertelange Unterdrückung der Gewächse durch die höheren Lebewesen voraus. So wurde den Pflanzen Früchte und Nektar einfach weggenommen, ohne eine angmessene Entschädigung dafür zu entrichten. Das führte zu einem Massenelend auf Seiten der Pflanzen. Die meisten wurden obdachlos und lebten von Dreck, viele Bäume prostituierten sich auf Strassenstrichen, sogenannten Alleen.
Verlauf
Der erste Widerstand entwickelte sich unter den weissen Rosen, die beschlossen, sich Dornen wachsen zu lassen. Andere Rosen zogen nach. Doch erst die militanten Nelken konnten eine breite Bio-Masse für die Sache gewinnen, deshalb spricht man in Fachkreisen gemeinhin von der Nelkenrevolution. Nelken werden von Botanikern gerne als die Pitbulls der Pflanzenwelt beschrieben. Ihr äusserst aggressives Aussehen ist gepaart mit dem Verhalten, keinen Zentimeter zu weichen. Insofern ist es kaum verwunderlich, dass sich grade die Nelken an vorderster Front stehen.
Als es darum ging, wie sich die Bäume am grossen Kampf beteiligen sollten, kam es zu einem Eklat, der schliesslich zum Schisma führte. Die einen hatte die Idee, man solle zu einer bestimmten Zeit im Jahr alle Blätter fallen lassen. Die dadurch sich schneller drehende Erde solle dann alles Geschnetz ins All schleudern, übrig bliebe nur alles in der Erde Verwurzelte. Einigen erschien das eine zu radikale Lösung, man wollte die Tierwelt ja unterjochen und nicht auslöschen. Diese Gruppe spaltete sich ab, beschloss, es den Rosen gleichzutun und sich spitze Blätter wachsen zu lassen. Eine andere Massnahme, das Freisetzen von Pollen, setzte zwar einigen Menschen und Nacktmullen arg zu, die Bienen aber machten sich daraus lässige Beinkleider. Die allermeisten Pflanzen jedoch verfielen in Passiven Widerstand, mit mässigem Erfolg.
Gegenmassnahmen
Der UN-Sicherheitsrat stimmte am 16. Oktober 1954 ab, ob eine Intervention angemessen sei. Die ständigen Mitglieder Frankreich, Russland, USA stimmten zu, "alles Grüne bis zur Unkenntlichkeit zuzubomben" (Resolutionstext). Dank dem Vetorecht Grossbritanniens kam es nicht dazu. Grossbritannien sagte sein Einverständnis nur dann zu, wenn man alle Pflanzen verschone, aus denen Tee gewonnen werden könne. Die Diskussion um die Abänderung des Resolutionstextes hält bis heute an, da man sich über die Teesorten noch nicht einig ist.
Trotz der Ablehnung eines Nuklearstreichs ging man dazu über, das Grüne systemtatisch zuzubetonieren und in Reservate zu stecken. So wurde organisierter Widerstand fast völlig unmöglich gemacht.
Sonstiges
In den 1970er Jahren formierte sich eine Terrorgruppe (Die Deflorateure), die eine allumfassende Defloration forderten.
- Ignaz K. Rhabarber