wurde, tauchen jedes Jahr am Heckentag Menschen in Hecken ein
und schwimmen ein paar Längen. Kritiker bezeichnen das Spektakel
als spätrömisch-dekadent.
Vor kurzem, das heisst vor längerer Zeit, besuchte ich eine Ausstellung, in welcher plastinierte Menschen, Tiere und Organe zu sehen waren. In holdes Erstaunen entrückte mich folgender Satz, der neben einer Schauplastik eines menschlichen Magens zu lesen war: "Die Mageninnenwand produziert eine Art Schleim, der vor Selbstverdauung schützt." Dieser Satz löste in mir spontan ein tiefes Gefühl des Mitleids für all jene Personen aus, deren Drüse, die den besagten Schleim absondert, kaputt ist. Sie müssen ihren Magen wahrscheinlich überlisten, in dem sie täglich einen Rindermagen verzehren. Der nicht so kluge Magen lehnt sich dann zurück und denkt sich, seine Arbeit, sich selbst zu verdauen, sei getan, bis er am nächsten Tag merkt, dass er noch da ist. Das Spiel beginnt von vorne: Ein ewiger, teuflischer Kreislauf.
Gut gefiel mir auch der plastinierte Körper eines Gorillas ohne Haut ganz am Ende der Ausstellung. Am Baum daneben hing, ähnlich einer Bananenstaude, sein kompletter Verdauungsapparat. Es fehlte nur noch ein Hirsch, der auf seinen eigenen Innereien in Form einer Wiese äst. Oder eine Maus, die an ihren mit Löchern durchsetzten Eingeweiden knabbert.
In einem abgetrennten Bereich sah man ein Pärchen, das sich in wilder Leidenschaft gegenseitig die Haut vom Leibe gerissen hatte und nun in kopulierender Pose zu bestaunen war. Dabei zeigte sich, dass auch Plastinatoren durchaus humorige Gesellen sind, denn dem Mann spriesste ein schwarzer Irokese mitten aus dem Schädel, die Frau hatte noch Stiefel an ihren Füssen. Mit Plastinatoren ist bestimmt gut schwofen. Ständig erzählen sie einem Dinge von Interesse, beispielsweise wie Haut am einfachsten von Muskelgewebe zu trennen ist (Lorbeerschnaps einreiben) und witzige Anekdoten von ihrer Arbeit, wie zum Beispiel jene vom lustigen Puppentheater mit verlängerten Wurmfortsätzen des Blinddarms in der Mittagspause. Während man sich dann das x-te Bierchen (für "x" eine beliebige Zahl/Potenz/Bruch einsetzen und die Gleichung nach "Bierchen auflösen) hinter die Binde kippt erzählen sie einem, wie schwierig es ist, an eine Schrumpfleber zu kommen und geben noch eine Runde aus. Doch solange man seine Leber immer schön im Auge behält, kann sie einem auch vom handfertigsten Plastinator nicht stibitzt werden. Sollte es doch einmal vorkommen, merkt man es ziemlich rasch an einem Blutsurz aus der Seite. Ja ja, diese crazy Plastinatoren, ein ganz eigenes Völkchen, eine Art Parallelgesellschaft, wie die Elefantenpfleger. Was die meisten nicht wissen: Elefantenpfleger geben sich meistens auch in ihrer Freizeit nur mit ihresgleichen ab, sitzen konspirativ in ihren elefantengrauen Stuben und trinken aus ihren Elefantentassen (Rüsselchen als Henkelchen) und disputieren, warum Elefanten die bessern Menschen sind.
Wie ich gerade merke, enthält letzterer Text unverhältnismässig viele Klammern. Da ich vor Mr. Retisch, der vorgängig seinen tiefempfundenen Hass gegen diese Dinger äusserte nicht in Ungnade fallen möchte und auch ich schon gegenüber missbräuchlich gesetzten Klammern verbal ausfällig wurde, mich also dem Verdacht der Wendehalsität aussetze, erlaube ich Ihnen, umgehend einige davon mit einem fetten, schwarzen, wasserfesten Stift durchzustreichen.
- Ignaz K. Rhabarber
Die Nelkenrevolution ist der Versuch der Nelken, die ausbeuterische Herrschaft der Fauna zu beenden um eine Diktatur der Flora zu errichten. Sie ist seit 40'000 Jahren im Gange.
Vorgeschichte
Der Revolution ging eine jahrhundertelange Unterdrückung der Gewächse durch die höheren Lebewesen voraus. So wurde den Pflanzen Früchte und Nektar einfach weggenommen, ohne eine angmessene Entschädigung dafür zu entrichten. Das führte zu einem Massenelend auf Seiten der Pflanzen. Die meisten wurden obdachlos und lebten von Dreck, viele Bäume prostituierten sich auf Strassenstrichen, sogenannten Alleen.
Verlauf
Der erste Widerstand entwickelte sich unter den weissen Rosen, die beschlossen, sich Dornen wachsen zu lassen. Andere Rosen zogen nach. Doch erst die militanten Nelken konnten eine breite Bio-Masse für die Sache gewinnen, deshalb spricht man in Fachkreisen gemeinhin von der Nelkenrevolution. Nelken werden von Botanikern gerne als die Pitbulls der Pflanzenwelt beschrieben. Ihr äusserst aggressives Aussehen ist gepaart mit dem Verhalten, keinen Zentimeter zu weichen. Insofern ist es kaum verwunderlich, dass sich grade die Nelken an vorderster Front stehen.
Als es darum ging, wie sich die Bäume am grossen Kampf beteiligen sollten, kam es zu einem Eklat, der schliesslich zum Schisma führte. Die einen hatte die Idee, man solle zu einer bestimmten Zeit im Jahr alle Blätter fallen lassen. Die dadurch sich schneller drehende Erde solle dann alles Geschnetz ins All schleudern, übrig bliebe nur alles in der Erde Verwurzelte. Einigen erschien das eine zu radikale Lösung, man wollte die Tierwelt ja unterjochen und nicht auslöschen. Diese Gruppe spaltete sich ab, beschloss, es den Rosen gleichzutun und sich spitze Blätter wachsen zu lassen. Eine andere Massnahme, das Freisetzen von Pollen, setzte zwar einigen Menschen und Nacktmullen arg zu, die Bienen aber machten sich daraus lässige Beinkleider. Die allermeisten Pflanzen jedoch verfielen in Passiven Widerstand, mit mässigem Erfolg.
Gegenmassnahmen
Der UN-Sicherheitsrat stimmte am 16. Oktober 1954 ab, ob eine Intervention angemessen sei. Die ständigen Mitglieder Frankreich, Russland, USA stimmten zu, "alles Grüne bis zur Unkenntlichkeit zuzubomben" (Resolutionstext). Dank dem Vetorecht Grossbritanniens kam es nicht dazu. Grossbritannien sagte sein Einverständnis nur dann zu, wenn man alle Pflanzen verschone, aus denen Tee gewonnen werden könne. Die Diskussion um die Abänderung des Resolutionstextes hält bis heute an, da man sich über die Teesorten noch nicht einig ist.
Trotz der Ablehnung eines Nuklearstreichs ging man dazu über, das Grüne systemtatisch zuzubetonieren und in Reservate zu stecken. So wurde organisierter Widerstand fast völlig unmöglich gemacht.
Sonstiges
In den 1970er Jahren formierte sich eine Terrorgruppe (Die Deflorateure), die eine allumfassende Defloration forderten.
- Ignaz K. Rhabarber
Warnung für Diabetiker: Enthält die Wörter Kiwi und Mango
Was möchte meine Katze mir sagen, wenn sie sich früh morgens zu meiner Tätigkeit des Entledigens nächtlich angeschlafener Milbenexkremente aus dem Bettzeug unter die kalt-heisse Immunstärkedusche stellt und meint: „Du enthirnter Spacko hast die ganze Nacht das Fenster offen stehen lassen, kuck mal es sind Minustemperaturen!“? Ehrerbietig reiche ich ihr die Tube meines Ayurveda-Kiwi-Mango-Sambal Oelek-Shapoos, um sie zu beschwichtigen. Das Duschgel streicht sie sich mit vor Anstrengung gekrümmten Pfoten und offensichtlichem Effort ins Katzenfell. Sie sei heute noch verabredet, ein wichtiger Termin beim Epithetiker an der Ecke stehe auf dem Programm. Sie wolle sich die linke Ohrenpartie herabsetzen lassen. Dies hat sich mir gestern feierlich eröffnet, als sie beim Halma den dritten Full House in Folge absahnte. Man sollte Katzen nicht unterschätzen, es sind hochbegabte Menschen, die ihre zwiespältige Existenz hinter einem durchdachten Mix aus fiebernder Gelassenheit und abgeschlagenem Dehors verschleiern. Ehrlich. Nach der Dusche gehe ich direkt in die Stadt, ohne meinem Körper in geringster Weise die Schmach des unnötigen Bekleidens auf zu zwingen. Es ist kurz nach Weihnachten und das neue Jahr hat mich schon in seinen Bann gezogen. 2010 – wie wir uns alle gefreut haben; und dann kam der Schnee. Er schwängerte den Himmel mit seinen weissen Flocken, deflorierte den Horizont und hinterliess dennoch nur reines, virginisches Weiss. Die Kälte wogte wabernd durch die Strassen und drang in die Gliedmassen der Leute der Welt. Alles hat zu. Gerade laufe ich – welch Wunder – an einer geschlossenen Eisdiele vorbei, dann an einer geschlossenen Gruppe der Zeugen Jehovas. Nur ein aufgeschlossener Junge fragt mich nach Schokofröschen, oder will er welche feilbieten? Ich verstehe ihn akustisch nicht. Mein Unverständnis für den Buben resultiert aus einer momentanen Irritation, die mir durch ein Salzstreufahrzeug in der morphologischen Erscheinung von Josef Stalin zugefügt wird. Und hinter dem Gefährt fällt, hervorgerufen durch die aufgesetzte Schneefräse, ein eiserner Vorhang. Mir fröstelt bei dem Anblick, darum beschliesse ich mich in einer FKK-Sauna etwas auf zu wärmen. Doch der Türsteher will gar nicht erst meinen Organspendeausweis sehen. „Zu jung“, so lautet sein vernichtendes Urteil. Schade, denke ich: zu jung. Noch beim Nachhausegehen überlege ich mir, was er damit gemeint haben könnte. Eine dahinsiechende Seniorin kreuzt als einzige meinen Weg auf dem ausgelatschten Bordstein, der auch heute wieder als verkannte Koryphäe des Service public in den Belangen zweckdienlichen Herhaltens als Fussabtreter der Nation eine Glanzparade vollführt. Gerne würde ich ihn für den Friedensnobelpreis nominieren – in der Sparte: bester Hauptdarsteller. Ebenfalls gerne möchte ich den oralen Dialog mit der Oma im O-Ton mit den uns bekannten lateinischen Buchstaben konservieren: „Guten Tag.“ „‘n Tag, sie haben aber ein schönes Kleid.“ „Ja, von meinem nullten Geburtstag.“ „Sie haben da vorne eine ziemlich grosse Laufmasche, bis zu den Knien. Darf ich mal anfassen und ziehen?“ „Nee, komm lass mal.“ Dieses Spektakel zieht sich über Stunden hinweg fort. Die Oma möchte anfassen und ich dekliniere ihren Vorschlag alsbald abrupt. Endlich wieder zuhause ersucht mich meine Golden-Tabby-Katze als erstes um einen konstruktiven Kommentar zu ihrer neuen Visage. Doch ich möchte mich nicht auf einen Endlossermon einlassen und verschwinde unter dem Vorwand müde zu sein im Ökonomieraum unseres Palais – im Westflügel des Palais. Hier muss der Text leider ein jähes Ende finden. Wer die Geschichte aufmerksam zurückliest, entdeckt darin ein leckeres Rezept für korsische Käsesuppe auf Suaheli – viel Spass beim Nachbrutzeln!
- Theo Retisch